30. September - der Tag der Wahrheit

Am 30. September wird es spannend: Ab dem folgenden Tag müssen zahlungsunfähige Unternehmen wieder Insolvenz beantragen. Diese Pflicht war seit Beginn der Corona-Maßnahmen ausgesetzt. Selbst Unternehmer, die noch finanzielle Reserven haben, fürchten dieses Datum. Denn niemand weiß, ob wichtige Kunden ab Oktober noch ausstehende Rechnungen zahlen können.

Als Beraterin für Restrukturierung und Sanierung von mittelständischen Unternehmen habe ich mir den 30. September im Kalender rot markiert – genauso wie Wirtschaftswissenschaftler, Juristen, Politiker und natürlich Inhaber von Unternehmen. Zwar entschied der Bundestag am 17. September in seiner Abendsitzung, die Aussetzungsregelung um weitere drei Monate zu verlängern – diese wird jedoch nur für überschuldete Unternehmen gelten.

Nicht jedes Unternehmen handhabt Schulden wie VW

Der Grund: Viele Unternehmen können trotz hoher Verschuldung gut wirtschaften. Ein gutes Beispiel hierfür ist Volkswagen, mit einem Volumen von 192 Mrd. US-Dollar der Konzern mit dem höchsten Schuldenstand weltweit. Dies liegt vor allem an der Bedeutung von Leasing-Geschäften für den Autoabsatz. "Das Unternehmen hat keinerlei Schwierigkeiten, diese Schulden zu managen", betont Tim Ross, Experte für Unternehmensanleihen bei Janus Henderson.

Doch leider sind vor allem mittelständische Unternehmen nicht so aufgestellt wie VW. Entsprechend nervös ist die Stimmung – völlig zu Recht.

Billiges Geld vernebelte den Blick

Bereits vor der Corona-Pandemie vernebelte die von der Notenbank verordnete Zeit der niedrigen Zinsen bei einigen Unternehmern die Sinne. Das einstmals günstig geliehene Geld ließ und lässt Firmen noch „leben“, obwohl das operative Geschäft keine nachhaltigen Gewinne bringt. Und bei Beginn der Corona-Krise wurden sofort weitere Finanzierungen und Fördergelder beantragt und bewilligt. Dies war zwar sinnvoll und nötig, führte aber bei ohnehin stark gefährdeten Unternehmen zu einem „weiter so“, ohne die nötigen Veränderungen vorzunehmen.

Die Gefahr des Domino-Effekts

Das Korrektiv der Insolvenz fehlte in den vergangenen Monaten, Verpflichtungen und Haftungsrisiken sind noch ausgesetzt. Die Folge: Die Verunsicherung wächst langsam, aber stetig: Ist mein Geschäftspartner nachhaltig fortführungsfähig und durchfinanziert? Kann er meine Rechnung überhaupt noch bezahlen? Und welche Rechnung begleiche ich zuerst? Geschädigte Unternehmen haben aktuell keine Handhabe zu klagen. Ein Domino-Effekt ist daher umso schmerzhafter: Wenn Geschäftspartner in Schieflage geraten, kann mir das als Lieferant auch passieren.

Kreditversicherer sind wachsam

Daher gilt mehr denn je: Wer sein Risiko minimieren will, sollte unbedingt alle Transaktionen mit Augenmaß und strengen internen Einzelgenehmigungsverfahren absichern. Dies betrifft vor allem Lieferungen, die nicht kreditversichert sind.

Diese Absicherung über die Kreditversicherer fällt zunehmend schwerer - Risiken werden oft nicht mehr gezeichnet. Zusätzlich informieren aktuell einige Kreditversicherer ihre Kunden, dass aufgrund des Auslaufs des gemeinsamen Schutzschirmes der Kreditversicherer mit dem Bund zum 31. Dezember die Limite von bonitätsseitig eher schwachen Kunden nur noch befristet bis Ende 2020 beibehalten werden.

Dadurch wird jede Transaktion zu einer Art Hochseilakt. Wie können Unternehmen damit umgehen? Wie können sie sich absichern? Fakt ist: Wer Unsicherheit spürt, sollte sich schnellstens Experten an Bord holen.

Wo steht mein Kunde?

Unabhängig von der aktuellen eigenen Situation gilt auf jeden Fall: Insbesondere mittelständische Unternehmen sollten den Kontakt zu ihren Kunden intensivieren. Wichtig ist es, alle verfügbaren Quellen zu nutzen, um möglichst umfassende Informationen über die Bonität der Geschäftspartner zu erlangen. Auch subjektive Eindrücke des Servicetechnikers oder Vertriebsmitarbeiters, die von ihren letzten Besuchen und Gesprächen berichten, sind wichtige Wissensträger.

Zusätzlich gilt: Bereits bei Auftragsannahme ist eine verstärkte Prüfung nötig. Möglicherweise müssen die Zahlungsbedingungen verändert werden – im Zweifel heißt es dann „Lieferung nur gegen Vorkasse“. Und sollte es nicht schon längst der Fall sein: Das Forderungsmanagement zu forcieren ist in Zeiten wie diesen einfach unverzichtbar.

Nächste Woche geht es weiter mit meinen Beiträgen. Bis dahin freue ich mich über Ihre Kommentare, Fragen und Anregungen. Ansonsten gilt: Bleiben Sie gesund und wachsam – es geht schließlich um Ihr Unternehmen!

Zurück