Restrukturierungs-Beispiel aus der Praxis „Wir schaffen das auch diesmal!“... leider nicht

„Mit meinem Unternehmen habe ich schon vieles durchgestanden – das schaffe ich jetzt auch noch.“ Als Restrukturierungs-Beraterin höre ich diesen Satz oft, wenn ich mit Unternehmern über die Herausforderungen der Zukunft spreche – wohlgemerkt auf deren eigene Einladung.

Es klingt merkwürdig, ist aber so – nicht nur in Zeiten von Covid-19: Als langjähriger Inhaber eines mittelständischen Unternehmens hat der „Chef“, wie ihn alle nennen, schon viel gesehen: Nach der Gründung war es langsam, aber stetig bergauf gegangen, neue Mitarbeiter kamen hinzu, manche Rückschläge wurden verdaut, aber selbst in weniger guten Jahren machte man Gewinn. Dennoch spürt der Unternehmer, dass die Firmenstrategie nicht in die richtige Richtung führt, die erhofften Zwischenerfolge der langfristig angelegten Planung stellen sich einfach nicht ein.

Die Stärke des Aufsichts- und Beratungsgremiums…

Auch die Experten in den eigenen Aufsichtsgremien, viele von ihnen sind in den vergangenen Jahren zu engen Vertrauten des Unternehmers geworden, können das Problem nicht lösen. Zwar diskutieren sie in Sitzungen nach wie vor engagiert und machen Vorschläge, allerdings „funktionieren“ auch diese internen Ratschläge der alten Weggefährten nicht wirklich.

Dies ist für den Unternehmer völlig unverständlich. Schließlich hatte er bei der Zusammensetzung seiner Beratungsgremien immer darauf geachtet, dass fast ausnahmslos nur erfolgreiche Spezialisten der unterschiedlichsten Fachgebiete Zutritt zu diesem erlauchten Kreis erhielten.

… ist gleichzeitig seine größte Schwäche

Das Problem: Ein Unternehmer muss sich ständig mit neuen Herausforderungen und auch Krisen auseinandersetzen. Diese erfordern immer wieder andere, zum Teil auch neue Kompetenzen. Hinzu kommt, dass langjährige Freundschaften, auch wenn sie nur auf rein professioneller Ebene bestehen, in manchen Situationen dem dringend nötigen „offenen Wort“ im Wege stehen können. Schließlich kennen die Mitglieder des internen Gremiumsdie persönlichen Befindlichkeiten und Reizthemen des Unternehmers nur zu gut. Diese Art der „Vertrautheit“ schränkt die zweifellos vorhandene Beratungsqualität der Ratgeber deutlich ein – die vermeintliche Stärke wird damit zur größten Schwäche.

Einladung zum „unverbindlichen Informationsaustausch“

Schließlich sucht der Unternehmer doch den Kontakt zu einer Beratung – dass es sich dabei um eine Restrukturierungsberatung handelt, muss ja nicht gleich jeder wissen. Natürlich hatte ihm das Aufsichtsgremium davon abgeraten. Schließlich sei er doch mit seinem Unternehmen grosso modo auf dem richtigen Weg, und externe Berater wüssten es auch nicht besser als das Gremium, seien dafür aber extrem teuer. Immerhin diesen Rat nimmt er sich zu Herzen und lädt die „Beratung“ zu einem „unverbindlichen Informationsaustausch“ ein.

„Wie geht es denn der Branche so?“

„Wir brauchen eigentlich gar keine Berater, wir haben schließlich Experten in unseren Gremien. Ich wollte mich einfach einmal mit Ihnen austauschen, wie es der gesamten Branche so geht in diesen Covid-19-Zeiten.“ Diese Begrüßung bei unserem ersten Treffen, ich erwähnte es bereits, bin ich gewohnt.

Meine Antwort müsste unverblümt in etwa wie folgt lauten: „Die zentrale Frage ist doch: ‚Könnte ich nicht noch mehr erreichen, wenn ich mit jemanden zusammenarbeite, der mir nicht nach dem Munde redet und nur das sagt, was ich gerne höre?‘“ Natürlich sage ich es nicht in genau diesen Worten gleich zu Beginn des Gesprächs. Am Ende des Treffens wird dies aber meine Gesamtaussage ziemlich gut zusammenfassen.

Vor-Insolvenz – bevor es zu spät ist

Betriebsblindheit verhindert immer, dringend benötigtes Veränderungspotenzial zu entdecken – Potenzial, das grundsätzlich in jedem Unternehmen steckt, das vernünftig geführt wird. Leider, so fürchte ich, werden wir aus der Restrukturierungsberatungs-Branchesolchen Unternehmern, wie ich sie in meinem heutigen Beitrag beschrieben habe, nicht wirklich helfen können. Die Chancen, die beispielsweise eine vor-insolvenzliche Sanierung oder Restrukturierung strauchelnden Unternehmen bietet, lassen vieleUnternehmer einfach verstreichen. Die Insolvenz ist dann nicht mehr zu verhindern.

Neue Gesetze – neue Möglichkeiten

Dies ist umso bitterer, je näher der 1. Januar 2021 rückt. Ab diesem Datum sollen nach aktuellem Stand der politischen Debatte das neue StaRUG bzw. SanInsFoG in Kraft treten, die neue Chancen für die Sanierung und Restrukturierung von Unternehmen bieten. Diese neuen Gesetze ermöglichen unter anderem die Sanierung eines Unternehmens ohne Insolvenz mit Eingriffsmöglichkeiten in Gläubigerrechte. Und sie verändern die Definition der Insolvenz-Tatbestände. Darüber hinaus wird die Krisenprävention ausgeweitet und explizit kodifiziert. Gleichzeitig wird die Haftung für Geschäftsleiter und Aufsichtsorgane ausgeweitet.

In der Summe werden die Gesetze vieles verändern – zum größten Teil in positiver Hinsicht. Hinzu kommen aber auch neue Pflichten und Herausforderungen, die vielfach ein Umdenken und auch neue Dokumentationserfordernisse mit sich bringen.  Welche Regelungen kommen und welche Auswirkungen sie haben werden, stelle ich Ihnen in meinen kommenden Beiträgen vor.

Bleiben Sie wie immer gesund und wachsam – es geht schließlich um Ihr Unternehmen!

Zurück