Restrukturierungsbeispiel aus der Praxis Wer hat Angst vor der Restrukturierung?

Restrukturierung. Dieses Wort klingt für viele abschreckend. Warum nur? Liegt es daran, dass gleich viermal das „r“ und dreimal das „u“ vorkommen? Und es ein bisschen nach „Anstrengung“ klingt, vor allem im bayerischen Dialekt? Jedenfalls hatte sich kein Unternehmer zur kostenlosen (!) „Restrukturierungs-Sprechstunde“ der Handelskammer angemeldet. Kurzerhand wurde umgetauft: in „Insolvenz-Sprechstunde“. Prompt war Interesse vorhanden.

Niemand kann mir glaubhaft erklären, dass in der aktuellen wirtschaftlichen Situation kein Bedarf an der Restrukturierung von Unternehmen besteht. Oder kann es sein, dass viele Unternehmer sich noch nicht wirklich mit dem Thema Restrukturierung beschäftigt haben – und erst dann Beratungsbedarf verspüren, wenn es eventuell zu spät ist und die Insolvenz droht? Dies wäre umso bedauerlicher, da selbst ein erfolgreich durchgeführtes Insolvenzverfahren noch längst nicht bedeutet, dass ein Unternehmen automatisch saniert ist. Dies hat vor ein paar Tagen mein Restrukturierungskollege #Andreas Elsässer von plan-E so treffend beschrieben: „Der Patient ist nur von der Intensivstation runter und geht in Reha. Gesund ist er noch lange nicht.“

Kaum werden erste Erfolge sichtbar, …

Dies trifft übrigens auch auf viele Unternehmer zu, die sich zu einer Restrukturierung durchgerungen haben und nach einigen Monaten feststellen, dass die getroffenen Maßnahmen erste Wirkung zeigen: Der Kreditberater der Hausbank zeigt sich vom Fortführungskonzept beeindruckt und sagt weitere Unterstützung zu. Stammkunden lassen sich auf die neuen Preise ein. Und die begonnene Umstrukturierung erster Abteilungen führt bereits zu ersten Produktivitätssteigerungen.

… schon schleichen sich alte Muster wieder ein

Langsam, aber unübersehbar, schleichen sich nach diesen ersten kleinen Erfolgserlebnissen einige der alten Muster wieder ein. Jene Muster, die das Unternehmen einst in Schwierigkeiten gebracht hatten. Weitere, bereits beschlossene Restrukturierungsmaßnahmen werden noch einmal hinterfragt. Oder noch schlimmer: derart zögerlich angepackt, dass auch unter den Mitarbeitern große Zweifel aufkommen, ob das alles jetzt wirklich noch nötig sei – wo man doch jetzt die von allen zu Recht gefürchtete Pleite offensichtlich abwenden konnte.

Die richtige Frage betrifft immer die Zukunft

Vor allem kleinere und mittlere Unternehmen blenden an dieser Stelle des Restrukturierungsprozesses aus, dass auch „Corona-Darlehen“ und Bürgschaften irgendwann einmal auslaufen. Die Gretchenfrage heißt daher nicht: „Warum sollen wir für weitere Restrukturierungsmaßnahmen so viel Zeit und Geld aufwenden, wenn wir doch jetzt schon so viel erreicht haben?“ Richtig wäre vielmehr die Frage: „Was kommt nach der Krise?“

Der Patient ist gerettet, aber noch lange nicht gesund

Zum Vergleich: Ein Chirurg operiert nicht nur deshalb am offenen Herzen, um akut das Leben des Patienten zu retten. Sein Ziel ist es darüber hinaus, dass der Patient nach der Reha wieder ein lebenswertes Leben genießen kann. Die Parallelen zur Restrukturierung sind offensichtlich. Die Maßnahmen dienen nicht nur dazu, ein Unternehmen vor der Insolvenz zu retten, sondern es gleichzeitig zukunftssicher zu machen.

Der beste Freund ist nicht immer der beste Ratgeber

Doch was soll nach der Rettung kommen? Dieses Thema besprechen einige Unternehmer noch immer gerne mit sich selbst, vielleicht auch noch mit dem „besten Freund“. Dessen Qualifikation spielt dabei eine eher untergeordnete Rolle, was zählt, ist das Vertrauen. Und guter Rat ist schließlich teuer – vor allem wenn er vom Unternehmensberater kommt – denken noch immer einige Entscheider.

Guter Rat vom Beirat

Immerhin erkennen zunehmend mehr Unternehmer, dass guter Rat wichtig und nötig ist. Sie verfügen über einen Beirat. Hier können frei von Beschäftigungs-Abhängigkeiten hinter verschlossenen Türen richtige und wichtige Fragen gestellt sowie Ratschläge erteilt werden. Die Aufwandsentschädigungen für Beiräte sind im Vergleich zu den Honoraren namhafter Berater außerordentlich gering. Im Idealfall ist die Zusammensetzung des Beirats heterogen. Dies betrifft unterschiedliche Qualifikationen, Altersgruppen und auch die Geschlechterverteilung. Ähnlich wie auf den Vorstandsetagen großer Konzerne gibt es auch in Beiräten allerdings noch immer deutlichen Nachholbedarf bei der Zahl der Frauen. Doch auf dieses Thema komme ich ein andermal zurück.

Bis zum nächsten Mal. Bleiben Sie wie immer gesund und wachsam – es geht schließlich um Ihr Unternehmen.

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