Umbau im Umbruch Ein Restrukturierungs-Beispiel aus der Praxis: Umbau im Umbruch

Kaum eine Branche ist aktuell größeren Herausforderungen ausgesetzt als der Maschinenbau im Bereich Mobilität. Corona-bedingt sind Aufträge weggebrochen, Abnehmer stoppten zwischenzeitlich die Produktion und einige Lieferketten rissen ab. Hinzu kommt, dass Automobilhersteller den Umstieg auf Elektro-Mobilität forcieren.

In seiner jüngsten Studie rechnet das Wirtschaftsprüfungsunternehmen PwC vor, dass Corona-bedingt im Schnitt rund ein Viertel der deutschen Maschinenbau-Umsätze wegfallen werden. Für die kommenden zwölf Monate rechnen die befragten Unternehmen im Schnitt mit einem Minus von 17% für die Gesamtbranche und mit einem Rückgang von 11,6% für das eigene Unternehmen. Dementsprechend tritt die Branche auf die Spar-Bremse: Die überwiegende Mehrheit der Unternehmen will ihre Kosten in den kommenden Monaten stabil halten, 17% planen, die Kosten weiter zu reduzieren. Investitionsvorhaben werden sogar bei über einem Drittel der Unternehmen im nächsten Quartal deutlich geringer ausfallen.

Eine ganze Branche muss sich verändern

Zusätzlich zu den Auswirkungen der Corona-Krise verändert sich die gesamte Maschinenbau-Branche im Bereich Mobilität, und zwar grundlegend: Automobilhersteller setzen vermehrt auf Elektromobilität und verändern dadurch auch die gesamte Branchen-Struktur der Zulieferer. Betroffen sind tausende von meist mittelständischen Unternehmen mit hunderttausenden Arbeitnehmern.

Für sie gilt es, die aktuelle Krise zu überleben und gleichzeitig neue Produkte und Geschäftsmodelle zu erfinden. An den bewährten, jahrzehntelang auf Perfektion und Effizienz getrimmten Strukturen und Prozessen geht dies ebenfalls nicht spurlos vorüber. Kurzum: Mitten in einer Zeit, in der es unverschuldet um die eigene Existenz geht, müssen sich viele Maschinenbau-Unternehmen ganz oder teilweise neu erfinden.

Alles war gut…

Hierzu ein aktuelles Beispiel aus der Praxis: Der Automobil-Zulieferer hat sich in den vergangenen zehn Jahren aus kleinen Anfängen zu einem erfolgreichen Player mit rund 200 Mitarbeitern entwickelt: Die Produkte werden nachgefragt, alles läuft gut. Selbst als wichtige Abnehmer verstärkt auf E-Mobilität setzen und die Auftragsvolumina zurückgehen, scheint eine Anpassung an den veränderten Bedarf möglich. Bis die Corona-Maßnahmen für eine Vollbremsung sorgen und innerhalb kürzester Zeit für eine leichte Schieflage sorgen.

… bis durch Corona die Fehler schmerzhaft sichtbar wurden

Eine erste Analyse deckt sehr schnell strukturelle Probleme in der Organisation auf. Abteilungen, Bereiche und Prozesse sind vollständig auf nachhaltig starkes Wachstum ausgerichtet. Die Folge: Gemessen an der aktuellen Krise gab es zu viele Geschäftsführer und eine zu stark zerklüftete Organisationsstruktur. Daraus entstanden Schnittstellen-Probleme, die eine angemessen flexible Reaktion auf die geringere Auslastung erschwerten. Gleichzeitig kam es zu einer Verschlechterung der Lieferzuverlässigkeit und vermehrten Reklamationsfällen – eine Fehlerkette, welche die ohnehin angespannte Lage zusätzlich belastete.

In diesem Falle war eine vollständige Abkehr von der ursprünglichen Organisationsstruktur der Schlüssel zur erfolgreichen Veränderung: Schnittstellenprobleme und Störgrößen im Prozess wurden analysiert und eine neue Organisation sowie angepasste Prozesse auf Basis der Analyse aufgebaut.

Restrukturierungs-Impulse durch den Blick von außen

Was so einfach klingt ist im echten Leben natürlich deutlich komplexer. Als externe Restrukturierungsberaterin und in diesem Falle als CRO konnte ich dabei einen großen Beitrag leisten.

Neben dem neutralen Blick von außen spielte in diesem Fall auch die innerbetriebliche Kommunikation bis hin zu Verhandlungen mit dem Betriebsrat eine wesentliche Rolle. Grundsätzlich gilt: Kommunikation ist ein nicht zu unterschätzender Faktor, wenn es darum geht, ein Unternehmen nachhaltig aufzustellen. Darauf werde ich in einem meiner nächsten Beiträge ausführlich zurückkommen. Im konkreten Beispiel mussten wir wegen der Corona-Beschränkungen allerdings ungewöhnliche Herausforderungen in der Kommunikation meistern.

Restrukturierungs-Kommunikation „zu Fuß“

Bei Beginn einer Übernahme eines Auftrages als CRO werden die Mitarbeiter ausführlich informiert – meist in einer Betriebsversammlung. Diese Regel gilt immer – nicht nur im geschilderten Fall. Was aber tun, wenn die Belegschaft wegen der Corona-Auflagen im Home-Office arbeitet und die Produktion stillsteht? Videokonferenzen sind keine wirkliche Alternative zu einer Betriebsversammlung. Der persönliche Kontakt zwischen Restrukturierungsberater/CRO und Mitarbeitern ist jedoch ein wesentlicher Baustein für die gegenseitige Bildung von Vertrauen. Die Lösung im konkreten Fall war zeitaufwändig, aber alternativlos: eine interne „Vorstellungsreise“ in alle Abteilungen, jeweils unterteilt in Corona-zulässige Kleingruppen. Schnell zeigte sich, dass dieser Aufwand gerechtfertigt war: Mitarbeiter und Betriebsrat fühlten sich wertgeschätzt und sprachen positiv über die Informationspolitik des Arbeitgebers.

Nächste Woche zeige ich, warum Zahlen, Geschwindigkeit und Mut zusammengehören. Bis dahin gilt: Bleiben Sie gesund und wachsam – es geht schließlich um Ihr Unternehmen!

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